Leonora
Hier ruht unsere teure und geliebte Tochter, Schwester und Cousine Leonora,
Tochter von Manuel dos Santos Lourenco selig und Sylvia Wallinger
Lissabon 11. 3. 1981 -- Innsbruck 27. 9. 2001
Rede von Sylvia Wallinger, gehalten am 27. Sep. 2015 bei der Gedenkfeier am Jüdischen Friedhof Innsbruck
Liebe Anwesende,
zuerst möchte ich Euch von Herzen dafür danken, dass Ihr Zeit und Kraft gefunden habt, hier an Leonoras Grab zu stehen und euch in stillem Gedenken zu versammeln.
Es ist nach langem Bemühen gelungen, nach dem Tod von Leonoras Vater in Lissabon am 1. August 2009 Leonoras irdische Überreste aus dem Lourenco-Familiengrab in Sintra hierher an den Innsbrucker Jüdischen Friedhof zu überführen und hier unter uns zu bestatten.
Ich darf daher ganz besonders die anwesenden Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde begrüßen und der Gemeinde dafür danken, dass nach der Beseitigung vieler Hindernisse die Erlaubnis zur Beerdigung meiner Tochter an diesem stillen und so edlen Ort jüdischer Spiritualität erteilt werden konnte.
Heute vor 14 Jahren, um 18 Uhr 27, ist Leonora, zwanzigjährig, nach einjährigem Kampf um ihr Leben an der Intensivstation der Innsbrucker Klinik gestorben. Viele von euch Anwesenden haben sie während ihrer Leukämie-Erkrankung bis zum Ende hin unterstützt, haben mit ihr gelitten und manchmal auch mit ihr gelacht, waren nach ihrem Tode auch bei der Verabschiedung am Haller Friedhof, einige besuchten auch ihr früheres Grab in Sintra, Portugal.
Viele von euch Anwesenden und auch diejenigen, die am heutigen Tag nicht leiblich anwesend sein können, aber ihre Grüße, ihr Gedenken und ihre Gebete schicken, haben ein definiert klares Bild Leonoras vor Augen, aber nicht alle der hier Anwesenden haben sie auch persönlich gekannt.
Das gibt uns nun die Gelegenheit, Leonoras Wesen, ihr Wirken und Wollen für eine kurze Zeit gedanklich erstehen zu lassen und ich, als der Mensch, der ihr zwar am nächsten stand, aber sie nicht unbedingt auch am besten gekannt hatte, möchte für alle, die sich davon berührt fühlen, eine Erinnerungsspur ins Bewusstsein rufen, die für jede/n von uns, je nach dem Bild, das wir uns von Leonora machen oder gemacht hatten, eine andauernde, positive Wirkung erzeugen möge.
Leonora hat sich gewünscht, dass ein Buch über sie und ihre Krankheit geschrieben werden sollte, um die innere Verbindung mit ihr selbst und vor allem mit ihrem begeisterten Medizinertum auch über ihren Tod hinaus weiter leben zu lassen.
Dieses Buch wurde nie geschrieben.
Aber mit heutigem Datum wurde auf meine Bitte hin eine Leonora-Webseite online gestellt, mit Bildern und Texten, darunter Leonoras Krankenbericht bis Juni 2001, den ich, abgesehen von den letzten Zeilen, noch zu ihren Lebzeiten verfasst und den sie gutgeheißen hatte.
Auf diese Weise kann Leonora (oder Leo) für uns alle in geistiger Präsenz erstehen, sofern wir über gefühlte, verinnerlichte Vorstellungen über sie mit ihr in spirituelle Verbindung treten wollen.
Leonora war ein Mensch mit vielen Gesichtern und einem sehr hellen,von ihr stets bedeckt gehaltenen Persönlichkeitskern, sodass alle, die mit ihr zu tun hatten, sie auf ihre jeweilige Art und Weise zu kennen glaubten, weil sie so wie ein Spiegel sein konnte.
Leonora war stets wandelbar und unwandelbar zugleich und musste wegen ihrer tödlichen Krankheit sehr früh das volle Potential ihrer Begabungen und Anlagen ausschöpfen, damit sie noch in der Blüte ihres jungen Frauenlebens Reife und Abgeklärtheit des Alters erreichen konnte.
Zeev Mitzrabh wird uns nun die Gebete sprechen.
Während wir nun für einige Minuten in Stille verweilen, sei es stehend, sei es im Gedenken auch herumgehend, bitte ich auch darum, Leonoras Vaters, meines lieben Mannes, Manuel Lourenco, zu gedenken, der 7 Jahre nach dem Tod seiner Tochter an Kieferhöhlenkrebs erkrankte und nach nur neun Monaten qualvoll daran gestorben ist.
Wenn ich die Botschaft, die ich als Leonoras Mutter von meiner Tochter zu erhalten glaube, in zwei Sätze fassen darf:, so lauten diese wie folgt:
1. „Feiere das Leben in all seinen Erscheinungsformen!“
2. „Feiere Deine eigene, kostbare, menschliche Geburt!“